BIV: Husten, Schnupfen, Heiserkeit sind weit verbreitet und zumeist auf leichtere grippale Infekte oder Erkältungen zurückzuführen. Nicht alles ist Corona oder Covid-19. Beim Auftreten welcher Symptome sollte man aber hellhörig werden und einen Arzt konsultieren?

Marschall: Die Symptome einer Grippe, einer Erkältung und  einer Coronainfektion können sich sehr ähneln, auch wenn alle drei Erkrankungen nicht viel miteinander zu tun haben. Die „richtige“ Grippe ist vor allem mit einem schnell einsetzenden schweren Krankheitsgefühl verbunden. Auch bei einer Coronainfektion kann Husten zu erheblichen Atemproblemen führen, die dann auf jeden Fall  stationär behandelt werden müssen.  Die Symptome Husten, Schnupfen, Fieber, Müdigkeit und Abgeschlagenheit alleine führen nicht zur Diagnosestellung. Die Differenzierung kann nur über einen PCR-Test erfolgen. Erst dann weiß man sicher, ob eine Infektion mit Covid-19 vorliegt. Besonders    die Risikopatienten sollten beim Auftreten von ersten Symptomen den Arzt kontaktieren, aber bitte nicht direkt in die Praxis gehen. Gemeinsam kann dann überlegt werden, wie ein Test am besten durchgeführt werden kann.

Abbildung : Auftreten der häufigsten Symptome bei Covid-19-Fällen in China (n = 55.924 laborbestätigte Fälle; Stand 20.02.2020) (15).Quelle: Robert Koch-Institut

 

BIV: Wenn ich einen begründeten Verdacht habe, sei es, dass ich selbst schon Symptome habe oder einen Kontakt zu Infizierten hatte, kann ich mich dann problemlos testen lassen? An wen muss ich mich wenden, wie lange muss ich auf Test und Ergebnisse warten und wer zahlt den Test?

Marschall: Bei begründetem Verdacht kann ich mich an meinen behandelnden Arzt oder auch an das örtliche Gesundheitsamt wenden. Es gibt in vielen Städten auch extra eingerichtete Teststationen – z. B. vor Krankenhäusern. Bevor ich mich aber selber auf den Weg mache, sollte ich vorher die Testmöglichkeiten telefonisch abklären. So vermeide ich den weiteren Kontakt mit bisher gesunden Menschen, die ich dann ggf. anstecken könnte. Den Test zahlt die zuständige Krankenkasse.

BIV: Sollte ich positiv getestet werden, die Erkrankung aber noch keinen stationären Krankenhausaufenthalt erforderlich macht, wie erfolgt die Behandlung? Wie werde ich in häuslicher Quarantäne betreut und überwacht?

Marschall: Zum Glück verlaufen die Coronainfektionen im hohen Maße ohne schwere Symptome. Daher kann die Behandlung rein symptomatisch erfolgen. Also möglichst Bettruhe, ausreichend trinken, bei Fieber und allgemeinen Gliederschmerzen ggf. entsprechende Arzneimittel wie Paracetamol oder Aspirin einnehmen. Wadenwickel sind eine weitere Option, das Fieber zu senken. Sie sollten aber nicht länger als 20 Minuten belassen werden.

Bei den Hustenmitteln kennen wir die frei verkäuflichen Mittel aus der Apotheke, die den Schleim lösen. Die können angewendet werden, lindern die Beschwerden aber eher selten. Wenn der Hustenreiz zu quälend ist, dann wird der behandelnde Arzt entsprechende Mittel verordnen, die dann vor allem abends eingenommen werden. Ansonsten bedeutet Quarantäne, sich meist bis zu 14 Tagen in einem/r gut gelüfteten Raum/ Wohnung aufhalten und den Kontakt zu anderen Menschen zu meiden. Kleine Spaziergänge oder den Hund auszuführen, sind untersagt. Die Betreuung erfolgt in der Regel durch die Gesundheitsämter, die dann nach Meldung eines positiven Testergebnisses Kontakt mit dem/der Infizierten aufnehmen und das weitere Management übernehmen.

BIV: Es ist immer von besonderen Risikogruppen die Rede, wozu ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen gehören. Können Sie vielleicht einmal die Grund- oder Vorerkrankungen benennen, bei denen besondere Vorsicht geboten ist?

Marschall: Das Robert-Koch-Institut hat die Risikogruppen identifiziert. Dazu gehören Patienten mit Lungenerkrankungen (vor allem COPD), Diabetes mellitus, Herzerkrankungen, alle Erkrankungen, die mit einer Beeinträchtigung des Immunsystems einhergehen – also z. B.  nach oder Organtransplantationen und  laufenden  oder kürzlich abgeschlossenen Krebstherapien.

BIV: Würden Sie – unabhängig vom Alter – auch starke Raucher zu den Risikogruppen zählen und was raten Sie ihnen?

Marschall: Schwere Verläufe können auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung auftreten und werden auch bei jüngeren Patienten beobachtet. Raucher gehören zu den Personengruppen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf zeigen. Durch das Rauchen können die Viren schneller tief in die Atemwege eindringen und die Lunge wird gehindert, sich selbst zu reinigen. Rauchen schwächt zudem das körpereigene Abwehrsystem. Außerdem fassen sich Raucher öfter ins Gesicht als Nichtraucher und können so Viren über die Hände aufnehmen. Der beste Tipp ist – nicht nur zu Coronazeiten – am besten aufhören mit dem Rauchen!

BIV: Andere Krankheiten nehmen in Zeiten von Corona ja keine Auszeiten und wollen ebenfalls behandelt werden. Können Sie überschauen, ob und ggf. welche Einschränkungen man derzeit hier in Kauf nehmen muss – in der ambulanten wie stationären Behandlung und in der Rehabilitation?

Marschall: Geplante Operationen wurden von den Krankenhäusern abgesagt, um die personellen Ressourcen nicht zu überlasten. Rehabilitationsmaßnahmen finden aktuell auch nicht statt, damit das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Aber alle notfallmäßigen und nicht aufschiebbaren Behandlungen finden wie gewohnt statt –  egal ob im Krankenhaus oder im ambulanten Bereich. Viele Patienten gehen aber jetzt nicht zum Arzt wegen der Angst vor einer Ansteckung. Nicht notwendige Arztbesuche können aufgeschoben werden, aber akute Beschwerden sollten auf jeden Fall umgehend abgeklärt werden – auch während der Coronazeit.

BIV: Die BARMER ist eine bundesweite Krankenkasse mit rund 9 Millionen Ver-sicherten. Für cirka 11% der Menschen in Deutschland ist sie ihre Kasse. Gerade in einer gesundheitlichen Krisensituation muss eine Krankenkasse für ihre Mitglieder da sein. Wie können Sie das bei geschlossenen Geschäftsstellen sicherstellen?

Marschall: Wir erleben nicht nur als Mitarbeiter in der BARMER derzeit eine Kreativität und Flexibilität, die wir trotz aller Loyalität und Spaß an der Arbeit so nicht erwartet hätten. Wir sind als BARMER rund um die Uhr erreichbar für das „ganz normale Geschäft“ ebenso wie in Corona-Angelegenheiten; und zwar online,  per Telefon und auch über unsere App. Wir haben unser Online-Angebot auf der Webseite nicht nur speziell mit Coronavirus-Informationen aufgefüllt, sondern bieten auch sonst noch jede Menge Mehrwerte. Das beginnt mit einem kostenlosen Angebot für Fitness-Training, geht weiter über Stressbewältigungsangebote bis hin zum vielfältigen Angebot für Kochrezepte, die auch mit Kindern einfach zu bewältigen sind. Der Clou ist unser Angebot, jetzt auch  Geburtsvorbereitungskurse online zu absolvieren. Denn Geburten lassen sich trotz Corona bekanntlich nicht verschieben.

BIV: Die BARMER ist mit über 15.000 Beschäftigten auch ein großer Arbeitgeber in Deutschland. Was tun Sie für deren Sicherheit? Lässt sich ein funktionierender Geschäftsbetrieb in der jetzigen Situation überhaupt aufrechterhalten?

Marschall: Wir haben als BARMER sehr schnell auf die sich stetig verändernde Lage reagiert. Es gibt einen Krisenstab, der alle Entscheidungen koordiniert und als Ansprechpartner auch für die Mitarbeiter fungiert. Wir haben innerhalb kürzester Zeit Home-Office-Arbeitsplätze geschaffen, die Teams sind räumlich entzerrt, so dass der Sicherheitsabstand gewahrt werden kann, und die Geschäftsstellen wurden zeitnah geschlossen. Bereits seit einiger Zeit denken wir auch schon an die Wiedereröffnung. Dafür werden Plexiglasscheiben an den Stehcountern in den Geschäftsstellen angebracht, Einmalmasken sind bestellt, und jede/r Mitarbeiter/in erhält Stoffmasken im BARMER-Look. Die Arbeitszeiten wurden flexibel angepasst, so dass auch eine Kinderbetreuung machbar ist. Kurzum: Es läuft auch in Coronazeiten rund.

BIV: Eine letzte Frage Frau Dr. Marschall: Die BARMER hat unter der kostenlosen Rufnummer 0800 84 84 111 dankenswerterweise eine Corona-Hotline eingerichtet, die rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche erreichbar ist. Wie stark wird diese Hotline frequentiert, und lässt sich aus den Fragen der Anruferinnen und Anrufer so etwas wie ein Stimmungsbild in der Bevölkerung ablesen?

Marschall: Wir waren als BARMER die Ersten, die eine solche Hotline eingerichtet haben. In den ersten drei Tagen hatten wir schon mehr als 1.000 Anrufe, und die Drähte haben weiter geglüht. Wir hatten Anrufer mit Alltagsfragen (Kann ich mein Haustier anstecken? Kann ich mich mit Tee, den ich in China bestellt habe, anstecken?), aber auch komplizierte Rückfragen aus Arztpraxen, Gesundheitsämtern und sogar aus Bundesbehörden. Die Fragen sammeln wir und stellen diese als FAQ-Liste auf unsere Homepage, die ständig aktualisiert wird. Das Stimmungsbild schwankt von „Ist ja gar nicht so schlimm“ bis hin zu „Oh Gott, wie soll das weitergehen?“. Aber zu keinem Zeitpunkt gab es richtige Panikstimmung. Im Gegenteil – so viel Dankbarkeit und positive Rückmeldungen wie jetzt haben wir lange nicht mehr bekommen. Wir hoffen, dass diese Wertschätzung auch nach Corona anhält und bleiben auf jeden Fall weiter am Ball.