Die Interessen unserer Versicherten stehen im Mittelpunkt unseres Handelns.

Christine Lieberknecht (60, CDU), gehört dem Thüringer Landtag durchgehend seit 1991 an. Sie fungierte unter anderem als Kultusministerin ihres Landes, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit und Präsidentin des Landtages. Von 2009 bis 2014 war sie Minister-präsidentin des Freistaates Thüringen. Christine Lieberknecht gehört seit Januar 2019 der BARMER Interessenvertretung an. BIV-Geschäftsführer Jürgen Hermann unterhielt sich mit ihr.
Hermann: Frau Lieberknecht, Sie haben nun weiß Gott alles erlebt, was eine Landespolitikerin erleben kann. Seit 1991 gehören Sie dem Thüringer Landtag an, waren Landesvorsitzende Ihrer Partei, haben mehrere Ministerposten bekleidet, waren Landtagspräsidentin und fünf Jahre lang Ministerpräsidentin Ihres Landes. Wie geht es Ihnen heute, und gibt es schon Pläne für die Zeit nach der Politik?
Lieberknecht: Im Herbst dieses Jahres blicken wir auf 30 Jahre friedliche Revolution in der DDR und den Fall der Mauer am 9. November 1989. Das ist ein Zeitraum, der inzwischen mein halbes Leben umfasst und von dem ich mir nie hätte vorstellen können, über so viele Jahre in politischen Mandaten tätig zu sein. So habe ich mich jetzt nach sechs Legislaturperioden als Abgeord-nete des Thüringer Landtags dafür entschieden, kein hauptamtliches politisches Mandat mehr anzustreben. Politische und gesellschaftliche Ehrenämter gibt es freilich genug. Beispielsweise werde ich in den nächsten Jahren weiterhin als Präsidentin des Thüringer Wanderverbandes e. V. tätig sein. Ich engagiere mich im Vorstand der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, in der Konrad-Adenauer-Stiftung und in der Kammer für Soziale Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Oft wird übersehen, dass eine Vier-Generationen-Familie mit meiner hochbetagten Mutter, meinem Mann, den beiden Kinderfamilien und unseren sechs Enkeln im Alter von 14 Jahren bis zu einem Neugeborenen für aktive Großeltern schon Unternehmung genug wäre. Besonders der Familie möchte ich jetzt etwas von dem zurückgeben, was meine Angehörigen über all die Jahre meines politischen Engagements mitgetragen haben.
Hermann: Seit 1991 sind Sie Mitglied der BARMER und ihr bis heute treu geblieben. Was hat Sie in den Wirren der Wendezeit bewogen, ausgerechnet der BARMER beizutreten? Haben Sie diese Entscheidung jemals bereut und sind Sie zufrieden mit Ihrer Krankenkasse?
Lieberknecht: Zunächst kann ich nur bestätigen: Mit der deutschen Einheit haben sich für Ostdeutsche quasi über Nacht sämtliche Lebensumstände verändert. Oft war es Zufall, mit wem Menschen in Kontakt kamen; wo und wie sie sich organisierten. Eine Privatversicherung kam für meinen Mann und mich nicht infrage. Krankenversicherung war und ist bis heute nach meinem Verständnis Aufgabe der Solidargemeinschaft. Dem wollten wir Rechnung tragen. Aufgrund unserer beruflichen Tätigkeit im quasi öffentlichen Dienst zwischen Politik und Kirche fanden wir die BARMER für uns sehr passend. Dank guter Gesundheit haben wir die Leistungen unserer Versicherung bisher nur wenig in Anspruch nehmen müssen. Dafür haben wir allen Grund zum Danken. Bereut haben wir unsere Entscheidung nie. Auch wenn wir bisher wenig Anlass für Bedarf an Leistungen hatten, kannten wir immer unsere persön-lichen Ansprechpartner und fühlen uns bestens betreut. Übrigens, wenn sich Kollegen oft genug zurecht den Vorwurf gefallen lassen mussten, dass sie in gesundheitspolitischen Debatten wieder einmal über Maßgaben entscheiden, denen sie sich mit ihren eigenen privaten Versicherungsverhältnissen längst entzogen hatten, konnte ich stets auf meine Mitgliedschaft in der BARMER verweisen. Für mich hat das auch etwas mit Glaubwürdigkeit von Politikern zu tun.
Hermann: Kann man aus Ihrer Entscheidung, der BIV beizutreten, schließen, dass Sie Ihre Beziehung zur BARMER intensivieren und möglicherweise sogar wieder verstärkt Einfluss auf das Geschehen in der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung im Allgemeinen und bei der BARMER im Besonderen nehmen wollen?
Lieberknecht: Demokratie lebt vom Mitmachen. Das gilt auch für unsere Selbstverwaltung. Für mich sind sie ein hohes Gut und einer der Schlüssel zum Erfolg unseres Gemeinwesens seit Gründung der Bundesrepublik vor 70 Jahren und der deutschen Wiedervereinigung von 1990. Als ehemalige Thüringer Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit sind mir viele aktuelle Themen rund um die Weiterentwicklung unserer Kranken- und Pflegeversicherung nach wie vor vertraut. Auf fast allen medizinischen Gebieten werden uns in den nächsten Jahren spannende Forschungsergebnisse immer wieder vor neue Herausforderungen stellen. Das interessiert mich. Als Thüringer Wanderpräsidentin liegt mir dabei die gesundheitliche Vorsorge besonders am Herzen. Hier sind noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Und zur gesunden Ernährung meiner Enkel, aber auch meiner hochbetagten Mutter, fällt mir auch noch manches ein. Das sind Themen, da stehe ich bei Bedarf gern zur Verfügung.
Hermann: Sie kennen die gesundheits- und sozialpolitischen Kernaussagen der BIV. Finden Sie sich als Versicherte – nicht als CDU-Politikerin – darin wieder?
Lieberknecht: Schon aus eigenem Interesse heraus habe ich mich mit den Zielen und Kernaussagen der BIV vertraut gemacht. Als Versicherte unterstreiche ich die formulierten Zielstellungen der BIV gern, denn nur so funktioniert unsere Solidargemeinschaft. Natürlich liegen die Tücken immer im Detail, wenn es etwa um die konkrete Gestaltung der Digitalisierung in technischen Assistenzlösungen oder bei digitalen Versorgungsangeboten geht. Umso wichtiger sind die eingeschlagenen Leitplanken. Und die sind in Ordnung.
Hermann: Welche Prioritäten würden Sie aktuell in der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung setzen?
Lieberknecht: Ich nannte ja bereits mein Interesse am Bereich der Prävention. Diese umfasst für mich sowohl die Förderung durch Bewegung als auch die Unterstützung von gesunder Ernährung. Gesundheitserziehung, Hilfe zur Selbsthilfe und Rehabilitation bis ins hohe Alter sind für mich ebenso wichtige Themen. Flächendeckende medizinische Versorgung in ländlichen Gegenden, Weiterentwicklung von alters- und pflegegerechten Wohnformen sowie die Unterstützung pflegender Angehöriger und die deutliche Aufwertung der Pflegeberufe sind
weitere Punkte mit dringendem Handlungsbedarf. Da hoffe ich in den gegenwärtigen Debatten auf nachhaltigen Erfolg.
Hermann: Wie erleben Sie persönlich gesundheitliche und pflegerische Versorgung vor Ort? Ohne jetzt gleich das große politische Rad zu drehen: Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf, und was kann zum Beispiel die Selbstverwaltung Gutes bewirken, ohne dass es konkreter Gesetzesinitia-tiven bedarf?
Lieberknecht: Ganz wichtig sind konkrete Ansprechpartner und eine kompetente Vermittlung nahe bei den Versicherten vor Ort. Ich kenne etliche Beispiele aus meinem Verwandten- und Bekannten-kreis, bei denen das sehr gut funktioniert hat. Ein Bereich, in dem ich mir von allen Kranken-kassen, und auch von der BARMER, außerhalb von Gesetzgebung wesentlich mehr Aktivitäten wünsche, ist die präventive Arbeit mit Familien, mit Kindern und Jugendlichen. Das bedeutet: Aufklärung über gesunde Ernährung, Förderung von Gesundheitswan-derführern, Kooperationen mit Kindergärten, Schulen und Vereinen. Ich weiß, dass die BARMER seit einigen Jahren in dieser Richtung aktiv ist. Aber da bin ich gern Mutmacher: In der Generationen übergreifenden Prävention geht noch viel mehr.
Hermann: Vielen Dank, Frau Lieberknecht. Die BIV freut sich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.